Wo sind all die Schmetterlinge des Großen Moores hin?

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Sprecherin: Oratlas - Online Vorleseprogramm   -   Schnitt: Jörg Thaden


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Zu den auf der Tafel gezeigten Schmetterlingen, den Entwicklungshabitaten und -pflanzen sind im Folgenden Detailinformationen aufgeführt.

Sprecherin: Oratlas - Online Vorleseprogramm   -   Schnitt: Jörg Thaden


Zu Abb. 2:

Hochmoor-Perlmutt(er)falter (Boloria aquilonaris)

Der Hochmoor-Perlmutt(er)falter gehört zu den echten Eiszeitrelikten. Durch Trockenlegung fast aller Hochmoore Norddeutschlands mit anschließendem Torfabbau und landwirtschaftlicher Nutzung sind Vorkommen dieser Schmetterlingsart auf ein Minimum zusammengeschmolzen. Seine Raupen (Abb. 2a und 2b) entwickeln sich ausschließlich an Gewöhnlicher Moosbeere (Vaccinium oxycoccos, Abb. 24).

Abb. 2a

Raupe des Hochmoor-Perlmutt(er)falters

Die Raupen leben auf triefend nassen Moospolstern, worin sie sich auch gerne verstecken, sowie im Bereich schwer zugänglicher Schwingrasen.

Abb. 2b

Junge Raupe des Hochmoor-Perlmutt(er)falters


Zu Abb. 3:

Hochmoor-Bläuling (Plebejus optilete)

Dieser kleine Bläuling hat ähnliche Biotopansprüche wie die vorige Art, entwickelt sich an Gewöhnlicher Moosbeere (Vaccinium oxycoccos), aber auch an weiteren Moorpflanzen wie Rauschbeere (Vaccinium uliginosum), Heidelbeere (Vaccinium mytillus), Glockenheide (Erica tetralix) und Rosmarinheide (Andromeda polifolia). Er wurde Ende der 1980er-Jahre das letzte Mal im Gifhorner Landkreis gesichtet und kommt schon sehr lange nicht mehr im Großen Moor vor. 


Zu Abb. 4:

Großes Wiesenvögelchen (Coenonympha tullia)

Bis Anfang der 1980er-Jahre kam diese Art noch am Westrand des Großen Moores vor. Seither gilt sie als verschollen.

Die Entwicklung der Raupen findet fast ausschließlich an Wollgräsern statt. Es wachsen in Mitteleuropa verschiedene Wollgrasarten. Im Großen Moor sind es die beiden Arten Schmalblättriges Wollgras (Eriophorum angustifolium) und Scheiden-Wollgras (Eriophorum vaginatum).


Zu Abb. 5:

Mädesüß-Perlmutt(er)falter (Brenthis ino)

Diese Art besiedelt vorwiegend Mädesüßbestände von Niedermooren, die in Kontakt zum Hoch- und Übergangsmoor stehen. Die Bestände sind durch die Wiesen-Komplettmahd stark zurück gegangen. Früher haben Restbestände der Raupennahrungspflanzen, die im Wiesensaum stehen geblieben sind, das Überleben dieser Art gesichert.


Zu Abb. 6:

Ried-Grasmotteneulchen (Deltote uncula)

Kleiner Nachtfalter, der im Randbereich des Großen Moores vorkommt und gerne mal in die noch feuchten Riedgras- und Pfeifengrasbestände des inneren Moores vordringt.


Zu Abb. 7:

Klee-Widderchen (Zygaena trifolii)

Ein typischer Sumpfwiesenbewohner ist dieses Klee-Widderchen. Es kam in den 1970-Jahren am Westrand des Großen Moores mit Kontakt zur Ise-Niederung vor. Dort scheint es verschwunden zu sein und kommt nur noch an sehr wenigen, oft engbegrenzten Orten des Landkreises vor.


Zu Abb. 8:

Sumpfwiesen-Staubeule (Athetis pallustris)

Diese Nachtfalterart besiedelt vorwiegend offene Feucht- und Sumpfwiesen, worin sich die sehr versteckt lebenden Raupen an verschiedenen Gras- und Krautarten entwickeln.


Zu Abb. 9:

Moor-Motteneule (Hypenodes humidalis)

Dieser kleinste Großschmetterling ist heute wahrscheinlich noch Bestandteil der Schmetterlingsfauna des Großen Moores. Groß und Kleinschmetterlinge werden aus praktischen bzw. traditionellen Gründen auseinandergehalten, was auf alten Bestimmungswerken zurück geht. Grundsätzlich gehören alle Schmetterlinge einer Insektenordnung an, nämlich die der Lepidoptera, zu Deutsch: Schuppenflügler. Die Falter schwärmen, wie Mücken, bei Sonnenuntergang im Sumpfgras auf und ab.


Zu Abb. 10:

Haworth-Mooreule (Celaena haworthii)

Intakte Hoch- und Übergangsmoore gehören bei dieser Nachtfalterart zu den existenziellen Lebensgrundlagen, da sich die Raupen nur endophag, d. h., in Halmen von Woll- und Riedgräsern entwickeln kann. Diese Art ist recht selten und wurde bisher nur wenige Male gefunden.


Zu Abb. 11:

Dunkle Pfeifengras-Grasbüscheleule (Apamea aquila ssp. funerea)

Dieser Falter kommt im nördlichen Mitteleuropa, also auch bei uns, in der schwarzbraun gefärbten Unterart Apamea aquila ssp. funerea vor. In Süddeutschland und in den Alpen sind die Falter kupferbraun gefärbt und gehören zur ursprünglichen Apamea aquila ssp. aquila. Die Raupen leben an Pfeifengras und sind nur sehr selten zu finden. Zuletzt gelangen Nachweise am Arnoldshof im Jahre 1985.


Zu Abb. 12:

Kupferglucke (Gastropacha quercifolia)

Die Kupferglucke konnte im Großen Moor bis 1985 mehrfach nachgewiesen werden. Sie besiedelt auch andere gebüschreiche Feuchtgebiete, ist jedoch vielerorts sehr selten geworden.


Zu Abb. 13:

Großer Speerspanner (Rheumaptera hastata)

Dieser Spanner wurde im Landkreis Gifhorn zuletzt nur noch im Großen Moor beobachtet, wo er wahrscheinlich heute noch vorkommt. Seine Raupen entwickeln sich u.a. an Moor-Birke und Heidelbeere.


Zu Abb. 14:

Spiegelfleck-Dickkopffalter (Heteropterus morpheus)

Der Spiegelfleck-Dickkopffalter (Heteropterus morpheus) ist erst um 1920 aus osteuropäischen Verbreitungsgebieten hierher eingewandert und heimisch geworden. Unterdessen kommt er auch in vielen Niedermooren vor, wo sich seine Raupen an Pfeifengras und anderen Sumpfgräsern entwickelt.

 

Er ist ganz offensichtlich ein Gewinner der Moorentwässerung, denn in sehr nassen und intakten Hochmooren tritt er fast nur in Randzonen auf. Grund dafür ist nach Untersuchungen von Wolfgang Rozicki, dass in intakten Hochmooren, die es heute in Niedersachsen kaum noch gibt, Pfeifengras als die Hauptnahrungspflanze der Raupen dort nur als Begleitart zu anderen typischen Hochmoorpflanzen auftritt. Massenbestände des Pfeifengrases, wie wir hier im Großen Moor fast flächendeckend antreffen, zeigen Störungen im Wasserhaushalt des Moorkörpers an (z.B. starke Schwankungen des Wasserhaushalts oder allgemeine Wasserknappheit). Und das kommt sowohl der Pflanze als auch dem Schmetterling zugute. Wegen der negativen Entwicklung entwässerter Hochmoore nennt man den Entwicklungsstand solcher Moore mit ihren Pfeifengrasmassenbeständen deshalb auch Pfeifengras-Degenerationsstadium. Das ist zumindest in Geestlandschaften so, während das Pfeifengras in anderen Gebieten Mittel- und Süddeutschlands auch andere Biotoptypen besiedelt, die im Allgemeinen pflanzensoziologisch viel höher bewertet werden.


Zu Abb. 15:

Gagelstrauch-Moor-Holzeule (Lithophane lamda f. zinckenii)

Dieser Nachtfalter ist stark an den nur noch selten vorkommenden Pflanzen wie Gagelstrauch (Myrica gale) und Rauschbeere (Vaccinium uliginosum) gebunden. Der Bestand des Falters ging daher dramatisch zurück. Zuletzt nur noch in einem Gagelstrauchbestand bei Transvaal, einem Teilbereich des Großen Moores, nachgewiesen.


Zu Abb. 16:

Fieberklee-Sumpfeule (Acronicta menyanthidis)

Die Fieberklee-Sumpfeule kommt mit großer Wahrscheinlichkeit heute noch im Großen Moor vor. Sie ist auch ein Moorrandbewohner (Übergangsmoor mit Kontakt zum Flach- oder Niedermoor).


Zu Abb. 17:

Braunfleck-Perlmutt(er)falter (Boloria selene)

Dieser Tagfalter kommt möglicherweise heute noch in Randbereichen des Großen Moores vor, wurde aber sehr lange nicht mehr gesichtet. Er besiedelt u.a. Sumpfwiesen mit Kontakt zum Hoch- und Übergangsmoor. Im südlichen Niedersachsen besiedelt er auch mesophile, aber lichte Laubwaldgebiete.


Zu Abb. 18:

Violetter Feuerfalter (Lycaena alciphron)

Dieser Falter besiedelte in den 1970er-Jahren sowohl Randzonen des Großen Moores als auch Kernbereiche, die teilweise abgetorft waren. Zuletzt konnten Falter vor allem am Mathildenhof gesichtet werden. Heute scheint dieser Tagfalter nicht mehr zum Arteninventar des Großen Moores zu gehören.


Zu Abb. 19:

Lilagold-Feuerfalter (Lycaena hippothoe)

Die Angaben zur vorigen Art passen auch zum Lilagold-Feuerfalter (Lycaena hippothoe). Insgesamt war diese Art aber seltener zu beobachten. Auch sie gilt im Großen Moor als verschollen.


Biotoptypen des Hochmoores und die daran gebundenen Schmetterlinge


Zu Abb. 20:

Glockenheide-Feuerland-Torfmoos-Gesellschaft und Moorliliensumpf

In dieser torfbildenden Pflanzengesellschaft kommen (oder kamen) der Hochmoor-Perlmutt(er)falter (Boloria aquilonaris) (Abb. 2), der Hochmoor-Bläuling (Plebejus optilete) (Abb. 3), die Sumpfwiesen-Staubeule (Athetis pallustris) (Abb. 8) und die Moor-Motteneule (Hypenodes humidalis) (Abb. 9) vor.


Zu Abb. 21:

Moorheide und Glockenheide-Gesellschaft

Teil des Hoch- und Übergangsmoores. Hierin kommen ebenfalls die Arten wie in Abb. 20 vor.

Die Glockenheide ist in Hoch- und Übergangsmooren, die in der Regel verhältnismäßig blütenarm sind, neben der Besenheide eine der wichtigsten Nektarpflanzen für Schmetterlinge und anderen Insekten. Für den Erhalt solch hochspezialisierter Arten wie die der Falter des Hochmoores genügt es nicht nur die Raupennahrungspflanzen zu erhalten, sondern auch und insbesondere die Nektarpflanzen für die Falter, ohne die sie auf Dauer nicht überleben könnten.


Zu Abb. 22:

Pfeifengrasbestand

Pfeifengras-Degenerationsstadium des trockengelegten Hochmoores. Lebensraum des Ried-Grasmotteneulchens (Abb. 6), der Moor-Motteneule (Abb. 9), der Haworth-Mooreule (Abb. 10) und der Dunklen Pfeifengras-Grasbüscheleule (Abb. 11).


Zu Abb. 23:

Schmalblättriges Wollgras (Eriophorum angustifolium)

Lebensraum des Großen Wiesenvögelchens (Abb. 4), sowie die zu Abb. 22 aufgeführten Arten.


Zu Abb. 24:

Gewöhnliche Moosbeere (Vaccinium oxycoccos)

Einzige Raupen-Nahrungspflanze des im Großen Moor ausgestorbenen Hochmoor-Perlmutt(er)falters (Abb. 2) und wichtigste Pflanze für den Hochmoor-Bläuling (Abb. 3). Diese Pflanze bildet mit ihren feinen, locker beblätterten Trieben auf Moospolstern dichte Bestände, worauf die Roten Beeren liegen. Die Pflanze ist mit Heidel- und Preiselbeere verwandt. 


Zu Abb. 25:

Gagelstrauch (Myrica gale)

Raupennahrungspflanze der Gagelstrauch-Moor-Holzeule (Lithophane lamda f. zinckenii). Im Landkreis nur noch an wenigen Plätzen vorhanden, u.a. nahe Transvaal.


Auswirkungen auf die Schmetterlinge des Hochmoores durch Torfabbau und Landwirtschaft

Durch die Urbarmachung des Großen Moores mit der o.g., später teilweise großflächig angelegten landwirtschaftlichen Nutzung sind nur noch wenige an Torfböden gebundene (tyrphobionte) bzw. Torfböden bevorzugende (tyrphophile) Schmetterlingsarten erhalten geblieben. Waren diese Einflüsse zu Anfang des bäuerlichen Torfabbaus bis etwa 1870 nur kleinflächig vorhanden, begannen die großen und starken Veränderungen ihrer Lebensräume mit dem Einsatz des maschinellen Torfabbaus.

 

Echte Hochmoorbewohner unter den Schmetterlingen zählen zu den sog. Reliktarten (Eiszeitrelikte), die aufgrund ihrer starken Bindung an solche Lebensräume auch nur darin überleben können. Hochmoorarten (das gilt nicht nur für Schmetterlinge) haben meist eine boreal-alpine Verbreitung und sind deshalb auf feuchtkühle Moorhabitate angewiesen. Von Fachleuten werden diese daher als „Reliktarten der nacheiszeitlichen Tierwelt“ betrachtet, die sich mit dem Abklingen der letzten Eiszeit auf den verbliebenen Kälteinseln in Restbeständen halten konnten. Die regionale oder lokale Biotopbindung dieser Arten wird dort aufgegeben, wo alpines oder subarktisches Klima zur Regel wird, weshalb solche Arten in den Hochlagen von Gebirgen oder im nördlichen Europa viel weiterverbreitet sind als im wärmeren Flachland Mitteleuropas. Grund dafür ist, dass Moore im Allgemeinen ein spezifisches Kleinklima aufweisen, das sich von dem der nahen Umgebung oft deutlich unterscheidet. Hohe Luftfeuchtigkeit und starke Temperaturschwankungen auf engstem Raum sind kennzeichnende Merkmale solcher Extrembiotope. Werden Moore entwässert, verändern sich diese Verhältnisse drastisch. Die darin lebenden Arten können nicht ausweichen, was dann das Verschwinden der meisten Arten nach sich zieht. Aufgrund fehlender oder zu weit entfernter Nachbarlebensräume können diese standortgebundenen Arten auch nicht wieder zuwandern. Oft besiedeln solche Arten in niedriger, manchmal auch hoher Populationsdichte sehr kleine Lebensräume, wobei dann die intraspezifische, d. h. innerartliche Konkurrenz nur eine untergeordnete Rolle spielt. Langfristig gesehen kommt es aber dennoch zur Isolation von Teilpopulationen und somit zur Verhinderung des Genaustauschs. Die Verarmung des Genpotenzials und die damit verbundene Verringerung der Reproduktionsrate sind die Folge davon, was fast immer zum Erlöschen einer Population führt.